Die Financial Times meldet Spitzen-Gespräche von UBS und CS übers Wochenende – unter Druck von Bern und SNB.
Die Behörden drängten die Chefs der zwei Schweizer Grossbanken „to agree on a simple and straightforward solution before markets open on Monday“, schrieb diese Nacht die gut informierte Wirtschaftszeitung.
Unter Druck erlebt die Schweiz ihr Grounding 2.0. Wie die Swissair verschwindet eine Ikone über Nacht.
Die CS existiert seit 167 Jahren und war der Stolz von Zürich. Durch die interne Machtübernahme der amerikanischen Investment-Banker verlor das Headquarter am Paradeplatz die Kontrolle.
Die Chefs in der Konzernzentrale überliessen die Gewinne im Private- und Retail-Banking den Wallstreet-Dealern für deren riskante Einsätze.
Im Gegenzug gab’s üppige Boni für die „Bosse“ in der Schweiz.
Nun zahlen womöglich Tausende von Mitarbeitern, darunter viele langjährige und solche über 50, die Zeche. Sie könnten nach einer Übernahme durch die UBS keinen Platz mehr finden in der vergrösserten Bank.
Statt New CS heisst es plötzlich New UBS.
Die Welt schaut in diesen Stunden auf die Alpenrepublik. Kunden der CS in Europa, England, Amerika und Asien fragen sich, ob ihr Geld beim einstigen “Rock solid“-Finanzmulti noch sicher sei.
Der Sturm auf die Nummer 2 des Landes war nach dem „Black Wednesday“ am Donnerstag und Freitag unvermindert weitergegangen, obwohl die SNB der CS eine 50 Milliarden-Rettungsleine zugeworfen hatte.
Es gäbe „options beyond a full takeover“, schreibt die FT ihn ihrer Frontseiten-Story. Doch eine Komplett-Absorption sei „Plan A“, hätten die Behörden ihren Kollegen in UK und Amerika gestern Abend mitgeteilt.
Eine vollständige Übernahme wäre aus rechtlichen Gründen am schnellsten und einfachsten umzusetzen. 2017 kaufte die spanische Santander die Banco Popular.
Für einen Euro. Für wie viel gibt’s die ganze CS?
Im Nachgang könnte die UBS womöglich Teile abstossen und damit die schlechten durch die guten Teile finanzieren.
Die grosse Unbekannte betrifft die Risiken im Investment Banking der CS. Diese hatten die UBS-Chefs bisher vor einem Kauf der CS abgeschreckt.
Dabei gibt es bereits eine CS Bad-Bank. Was sie genau umfasst und ob sie nicht derart toxisch ist, dass zuletzt nur die SNB sie tragen kann, muss sich weisen.
Faktisch würde in einem solchen Fall der Schweizer Steuerzahler für die CS-Wetten geradestehen – mit einer Garantie seines Lenders of Last Resort an der Börsenstrasse.
Geht’s schief, bezahlt er die Rechnung durch höhere Inflation – diese trifft die „Kleinen“ am härtesten.
Der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker von der SVP sagte gestern an einer Pressekonferenz zu den Finanzen des Wirtschaftskantons, die Lage sei ernst.
“Mit dem Schicksal der Credit Suisse ist laut Stocker auch jenes von über 10’000 Mitarbeitern im Raum Zürich verknüpft”, schreibt die NZZ.
“Das sind Leute mit gut bezahlten Jobs, die wesentlich zum Steuersubstrat beitragen”, zitiert die Zeitung den Magistraten.
Als vor 21 Jahren die Swissair kollabierte, griff Zürich unter Leitung der Finanzdirektion dem Flughafen Kloten mit dreistelligen Millionen-Darlehen unter die Arme.
Das Investment hat sich bezahlt gemacht, die Swiss als Nachfolgerin der Swissair wurde zum starken Homecarrier – allerdings erst nach dem Verkauf an die deutsche Lufthansa für ein Butterbrot.
Nun erleben Zürich und die Schweiz ihr Grounding 2.0, diesmal mitten in der stolzen Stadt statt an ihrem Rand im Norden. Was bleibt, ist die FDP und ihr historischer Link zur CS als zentrale Mitautorin des Debakels.
Standen beim “Hunter”-Crash Polit-Schwergewichte vom Zürcher Freisinn zuvorderst, wie Christoph Blocher kritisierte, waren es bei der CS Kapitäne wie Walter Kielholz mit FDP-Stallgeruch.
Kielholz verkrachte sich Mitte der Nullerjahre als Teilzeit-Präsident der CS mit CEO Oswald Grübel, dem letzten Schlachtross von Swiss Banking.
Kielholz liess Grübel 2007 ziehen, ohne ihm einen Sitz im CS-VR anzubieten. Als neuen CEO installierte der “Freund der Freisinnigen” den US-Investmentbanker Brady Dougan und 2009 den Wirtschaftsanwalt Urs Rohner.
Rohner würde nach 2 Jahren “Lehre” im 2011 den CS-Thron besteigen. Dougan sackte in Rohners Startphase einen Spezialbonus von 71 Millionen ein, Walter Berchtold als Chef Private Banking kriegte rund halb so viel.
Die Bonanza ging damals richtig los. Dougan lief 2015 mit über 150 Millionen aus dem Haus.
Urs Rohner spielte mit regelmässigem Bonus-Teilverzicht den Bescheidenen, kam aber in seinen 10 Jahren trotzdem auf über 40 Millionen.
“Sein” CEO Tidjane Thiam brachte es inklusive “Antritts”-Geschenk von 2015 bis 2020 auf rund 100 Millionen.
Kurz vor Rohners Abgang vor 2 Jahren erlitt die CS mit Archegos und Greensill ihren Double-Whammy, von dem sie sich nie mehr erholte.
Das immer schneller drehende Personalkarussell mit B- und C-Besetzungen auf der Brücke des lecken Tankers war untrügliches Zeichen des Niedergangs.
Spitzenleute fand die CS keine mehr, Ersatz-Besetzungen musste sie mit deplatzierten Willkommens-Deals ködern.
Als der Sturm im letzten Herbst losging, weil “New CS” von Präsident Lehmann und CEO Körner von Anfang an “too little too late” war, war’s um die Bank geschehen.
Laute Warnrufe von Kennern der Welt blieben ungehört.
Auf die Frage, was die Schweiz dringend lösen müsse, meinte der renommierte englische Wirtschaftshistoriker Adam Tooze im November von der Uni Zürich-Kanzel:
“Ich meine, es liegt auf der Hand, oder? Wir wissen doch alle, was die Schweiz tun kann und sollte. Muss ich das wirklich laut sagen? Credit Suisse können wir uns nicht leisten, Leute, was ist denn los hier? Das ist verrückt.”
Unter den Zuhörern befanden sich Ex-Bank-Grössen des Zürcher Finanzplatzes, allen voran Walter Kielholz, Peter Wuffli, Mathis Cabiallavetta. Sie taten keinen Wank.
Die folgenden Wochen wurden zur Agonie. Die letzte Woche in Übersee ausgebrochene Pleitewelle mittelgrosser Banken war dann nur noch der Strohhalm, der dem Kamel den Rücken brach.
Nun verschwindet Old CS von der Landkarte. Die Schweiz wird in ihren Grundfesten erschüttert.
Author: Barbara Leon
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