Deutsche Aktivist*innen distanzieren sich von israelfeindlichen Statements der internationalen Bewegung.
Mit wehenden Fahnen für Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit – und gegen Israel? Foto: Simon Kremer/dpa
BERLIN taz | Die Klimabewegung Fridays for Future steht nach antiisrealischen Positionierungen in der Kritik: „Die unsäglichen Äußerungen von Greta Thunberg und Fridays for Future International zum Terrorangriff auf Israel zerstören aber das große Vertrauen, das viele, vor allem auch junge Menschen, in die Integrität der Bewegung haben“, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) den Zeitungen vom Redaktionsnetzwerk Deutschland vom Montag.
Am Mittwoch hatte der internationale Account von Fridays for Future einen mehrteiligen Post auf Instagram abgesetzt, der mittlerweile gelöscht ist. Darin behauptete die Organisation, dass „westliche Medien Gehirnwäsche betreiben“ würden, um Solidarität mit Israel zu erzeugen. Die Medien würden von imperialistischen Regierungen finanziert, die hinter Israel stünden und Fake News verbreiteten.
Die israelische Regierung verübe einen Genozid an den Palästinenser*innen und sei nicht daran interessiert, den Konflikt zu beenden. Schon in der Vergangenheit war der internationale Account mehrfach durch eine Israel ablehnende Haltung aufgefallen.
Deutsche Aktivist*innen widersprechen
Fridays for Future Deutschland distanzierte sich umgehend: „Der Post war nicht mit uns abgestimmt, und wir stimmen nicht mit dem Inhalt überein“, schrieb die deutsche Ländergruppe auf Instagram. Sie verurteile den Terror der Hamas und erkläre sich uneingeschränkt solidarisch mit Jüdinnen und Juden weltweit. Gleichzeitig sehe man das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza.
Laut Recherchen des Tagesspiegelsgehen die antisemitischen Tweets des internationalen Accounts auf eine Einzelperson zurück: Hasan Ö. Der ehemalige Sprecher der Mainzer Fridays-Ortsgruppe habe sich nicht großartig für Klimathemen interessiert, sondern versucht, die Organisation als Plattform für die Verbreitung israelfeindlicher Positionen zu nutzen. Anderen Aktivist*innen gegenüber sei er respektlos und aggressiv aufgetreten.
Die Bundesebene und die Mainzer Ortsgruppe hätten ihn vor einiger Zeit ausgeschlossen, was ihn laut Tagesspiegel jedoch nicht davon abhalte, die Social-Media-Kanäle zu unterwandern.
Gegenüber der taz wies Hasan Ö. die Vorwürfe zurück. „Ich hatte nie Zugriff auf den internationalen Account“, schrieb er auf Anfrage. „Die Inhalte, die dort veröffentlicht werden, werden im Konsens entschieden, legitimiert und veröffentlicht.“ Die Positionen entsprächen dem internationalen Konsens unter den Ländergruppen.
Auch Fridays-Initiatorin Greta Thunberg positionierte sich klar an der Seite der Palästinenser*innen und ließ die grausamen Taten der Hamas dabei zunächst unerwähnt. Kritisiert worden war auch ein Kuscheltier auf ihrem ursprünglichen Instagram-Foto, das sie später austauschte.
Im ersten Bild war ein Kuschel-Oktopus zu sehen gewesen. Kraken sind ein in antisemitischen Kreisen oft bemühtes Bild für eine angebliche jüdische Weltverschwörung. Das Kuscheltier sei ein von Autist*innen benutztes Tool, um Gefühle zu kommunizieren, erklärte Thunberg. Sie sei sich der Bedeutung der Krake in antisemitischen Erzählungen nicht bewusst gewesen.
Experte: „Viel Unsicherheit und Unwissen“
Es ist nicht das erste Mal, dass die Klimabewegung durch Antisemitismus auffällt. Einen Skandal verursachte 2019 Roger Hallam, Mitgründer der Bewegung Extinction Rebellion. Im Interview mit der Zeit sprach er von der Shoah als „nur einem weiteren Scheiß in der Menschheitsgeschichte“. Die deutsche Sparte der Gruppe distanzierte sich daraufhin.
Der Journalist und Wissenschaftler Nicholas Potter untersucht unter anderem für die Amadeu-Antonio-Stiftung Antisemitismus in Bewegungen. „Es gibt in Bezug auf Antisemitismus in der Klimabewegung zwei Phänomene“, sagte er der taz. „Auf der einen Seite gibt es diejenigen, denen es um Aufmerksamkeit geht, auch mit geschmacklosen Provokationen. Dazu würde ich Roger Hallam oder auch die Gruppe Revolution zählen.“
Diese hatte im vergangenen Jahr mit dem Slogan “Von Hamburg bis nach Gaza – Klimaintifada“ für ein Protestcamp geworben und sich so mit gewalttätigen Aufständen von Palästinenser*innen gegen Israelis gemein gemacht.
„Auf der anderen Seite, und da verorte ich viele Aktivist:innen von Fridays for Future, gibt es eine reflexartige Solidarität mit Palästina als Underdog und als Stellvertreter des Globalen Südens“, meinte Potter. Die Industrieländer haben die Klimakrise hauptsächlich verursacht, so ihren Reichtum aufgebaut – während viele Länder im Globalen Süden besonders unter den Folgen leiden. „Diesen Klimaaktivist:innen ist bewusst, dass sie selbst aus einer privilegierten Position aus dem Globalen Norden sprechen, dem sie auch Israel zurechnen – das wollen sie reflektieren.“
Eine Rolle spielt für Potter auch, dass Fridays for Future vor allem eine Bewegung junger Menschen ist. „Viele Aktivist:innen kommen gerade zum ersten Mal in Kontakt mit dem Nahostkonflikt, da gibt es sehr viel Unsicherheit und auch Unwissen.“
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Author: Brian Williams
Last Updated: 1703824803
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