Sandro Tonali ist einer der Spieler, die beschuldigt werden, illegale Sportwetten abgeschlossen zu haben.Bild: www.imago-images.de
Am Dienstagabend verloren die «Azzurri» in der EM-Qualifikation gegen England im Wembley mit 1:3. Im Zentrum stehen bei den Italienern jedoch nicht die sportlichen Leistungen, sondern ein Skandal, der nur sein erstes Opfer gefordert hat.
Was ist passiert?
Inmitten der Qualifikationskampagne für die EM 2024 in Deutschland wird der italienische Fussball in seinen Grundfesten erschüttert. Mehreren Spielern wird vorgeworfen, illegale Wetten auf Fussballspiele abgeschlossen zu haben. Die bereits bekannten Fälle dürften jedoch nur die Spitze des Eisbergs sein – es wird befürchtet, dass der Skandal ähnliche Ausmasse annehmen könnte wie die italienischen Wettskandale in den Jahren 1980, 2006 und 2012.
Im Zentrum des öffentlichen Diskurses stehen dabei nicht nur die illegalen Handlungen der Spieler, sondern auch die Thematik der Spielsucht und die jungen Karrieren, die nun ins Wanken geraten.
Wer wird beschuldigt?
Nicolò Fagioli
Fagioli leidet offenbar an einer Spielsucht.Bild: www.imago-images.de
Vor knapp einer Woche wurde bekannt, dass bereits seit Anfang September Ermittlungen wegen illegaler Sportwetten gegen Juventus' Nicolò Fagioli laufen. Der 22-jährige Italiener wurde in der Jugendabteilung der Turiner ausgebildet und in der letzten Saison zum besten U-23-Spieler der Serie A gewählt. 2022 gab er sein Debüt in der italienischen A-Nationalmannschaft unter Roberto Mancini.
Fagiolis Berater Marco Giordano gab laut Fussball-Insider Fabrizio Romano zu Protokoll, dass Fagioli an einer Spielsucht leide: «Er ist spielsüchtig – ein Problem, das auftrat, als wir noch nicht seine Agenten waren.» Fagioli hatte sich selbst angezeigt und kooperiert mit der Justiz – er beteuert jedoch, nicht auf Spiele seines eigenen Teams Juventus Turin gewettet zu haben.
Vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen England wurde schliesslich das Urteil gegen Nicolo Fagioli bekanntgegeben – der 22-Jährige wurde mit einer Sperre von sieben Monaten belegt. Die verhältnismässig geringe Sperre, die nach einer Vereinbarung mit den Anklägern des Sportgerichts zustande kam, beträgt insgesamt zwölf Monate, fünf davon kann der Mittelfeldspieler aber mit einer Reihe anderer Verpflichtungen ableisten. Dazu gehört, dass Fagioli sich ein halbes Jahr lang einer Therapie gegen seine Spielsucht unterzieht. Hinzu kommen 12'500 Euro Geldstrafe.
Nicolò Zaniolo
Nicolò Zaniolo bestreitet die Vorwürfe. Bild: www.imago-images.de
Nach Fagioli geriet auch der italienische Nationalspieler Nicolò Zaniolo, der in der Premier League bei Aston Villa spielt, ins Visier der Ermittler. Das ehemalige Wunderkind des italienischen Fussballs wird ebenfalls beschuldigt, an illegalen Sportwetten teilgenommen zu haben. Im Gegensatz zu Fagioli steht gegen den 24-jährigen Zaniolo aber zusätzlich der Verdacht im Raum, dass er auf ein Pokalspiel der AS Roma gewettet habe – eine Partie, bei der er bei den Römern auf der Bank sass.
Zaniolo und seine Anwälte bestreiten die Vorwürfe. Gegenüber der italienischen Zeitung «La Repubblica» beteuerte der Mittelfeldspieler seine Unschuld: «Ich wette nicht, schon gar nicht auf Fussball. Ich habe auf Online-Plattformen gespielt, von denen ich nicht wusste, dass sie illegal sind, aber Poker oder Blackjack.»
Sandro Tonali
Auch Sandro Tonali kooperiert mit den Behörden.Bild: www.imago-images.de
Einem Bericht der italienischen Zeitung «Il Mattino» zufolge hat Fagioli gegenüber der Bundesstaatsanwalt ausgesagt, dass er die Wett-App von Sandro Tonali erhalten habe. Gegen diesen laufen nun ebenfalls Ermittlungen. Fagioli gab jedoch an, dass er nicht wisse, ob Tonali auf Fussball gewettet habe. Laut «Il Mattino» strebe Tonali genau wie Fagioli einen Vergleich an und sei bereit, mit der Bundesstaatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten. Der 23-Jährige steht bei Newcastle United in der Premier League unter Vertrag und spielt für die italienische Nationalmannschaft.
Laut der «Gazzetta dello Sport» habe Tonali seine Fehler gegenüber seinen Vertrauten bereits eingestanden und möchte dies nun auch gegenüber der Justiz tun. Er leide an einer Spielsucht und möchte nun psychologische Hilfe in Anspruch nehmen.
Weitere Namen dürften folgen
Im Rahmen der Ermittlungen wurden die Handys und Laptops der Beschuldigten untersucht, wobei weitere Namen ans Licht kamen, die mit dem Skandal in Verbindung stehen könnten – allen voran Leonardo Bonucci. Der italienische Internationale, der seit dieser Saison bei Union Berlin unter Vertrag steht, tauschte sich in Chat-Nachrichten mit Fagioli zum Thema Sportwetten aus. Nach ersten Erkenntnissen scheint Fagiolis ehemaliger Teamkollege bei Juventus aber nicht an den Wetten teilgenommen zu haben. Bonucci und anderen Vereinsmitgliedern von Juventus Turin wird jedoch vorgeworfen, von Fagiolis illegalen Wetten gewusst, diese aber nicht angezeigt zu haben.
Ob gegen Zalewski tatsächlich ermittelt wird, ist noch unklar.Bild: www.imago-images.de
Ein weiterer Name, der seit Montag im Zusammenhang mit dem Wettskandal genannt wird, ist Nicola Zalewski. Die Vorwürfe, die gegen den Spieler der AS Roma erhoben werden, wiegen schwer. So habe Zalewski im Spiel zwischen Roma und Salernitana viel Geld auf eine gelbe Karte gewettet, die er sich dann höchstpersönlich geholt habe. Ob gegen den 21-jährigen italienisch-polnischen Fussballer tatsächlich ermittelt wird, konnte jedoch noch nicht bestätigt werden.
Warum sind die Sportwetten illegal?
Glücksspiele und somit auch Sportwetten sind in Italien erlaubt. Dennoch handelt es sich bei den Anschuldigungen, die gegen die drei Spieler im Raum stehen, um strafbare Handlungen, denn nicht alle Websites, die Sportwetten anbieten, sind legal. Laut diversen italienischen Medien werden die genannten Spieler beschuldigt, ihre Wetten auf illegalen Seiten platziert zu haben.
Eine weitere Problematik liegt darin, dass es sich bei allen Beschuldigten um professionelle Fussballer handelt. Laut Artikel 24 des italienischen Sportgesetzes ist es Sportlerinnen und Sportlern nämlich untersagt, auf die eigene Sportart zu wetten, geschweige denn auf das Team, bei dem sie unter Vertrag stehen. Ein Verstoss gegen dieses Gesetz wird in der Regel mit einer Sperre von mindestens drei Jahren und einer Geldstrafe von mindestens 25'000 Euro geahndet.
Reaktionen aus der Fussballwelt
Insbesondere in Italien wirft der Wettskandal hohe Wellen. Dabei drehen sich die Diskussionen nicht nur um die strafbaren Handlungen an sich, sondern auch um die Thematik der Spielsucht. Viele aktive und ehemalige Fussballer verurteilen zwar die Handlungen der Beschuldigten, verweisen aber auch auf die Schwierigkeiten, mit denen sich junge Fussballer konfrontiert sehen.
«Es ist schade, dass sich so junge Leute, die den schönsten Job der Welt machen, in solchen Kleinigkeiten verlieren. Ich hoffe, es ist nichts Ernstes. So ein Talent kann man nicht verbrennen.»
Andrea Pirlo
«Man muss ihm [Fagioli] helfen, denn es ist wie eine Droge. Auch ich habe in Casinos gespielt, weil jeder mit seinem Geld macht, was er will.»
Zlatan Ibrahimovic
Ibrahimovic äussert sich zum Fall Fagioli. Bild: keystone
«Profifussballer gehören zu einer besonderen Kategorie von Sportlern. Sie sind reich, sie werden schnell reich, sie haben viele leere Räume und diese müssen mit positiven Initiativen gefüllt werden. Oft mangelt es an Werten, man muss ihnen helfen zu wachsen.»
Giuseppe Marotta, Manager bei Inter Mailand
Wie kam es ans Licht?
Den Skandal so richtig ins Rollen gebracht hat der ehemalige Paparazzo Fabrizio Corona, der nach einer siebenjährigen Gefängnisstrafe – davon einige Jahre im Hausarrest – erst seit drei Wochen wieder auf freiem Fuss ist. Der umtriebige Sizilianer drohte früher Prominenten damit, mit kompromittierenden Fotos an die Öffentlichkeit zu gehen, heute betreibt er in seiner Wohnung das kleine Online-Medium «Dillinger», benannt nach dem US-amerikanischen Gangster und «Staatsfeind Nr. 1» John Dillinger. Gegenüber dem «Corriere della Sera» beschreibt Corona sich und seine zwölf Mitarbeitenden als «eine Bande von Gesetzlosen der Information, die das Leben riskiert».
Fabrizio Corona steckt hinter den Enthüllungen rund um den Wettskandal.Bild: imago.de
Fabrizio Corona kündigte an, in den nächsten Tagen noch mehr Namen zu enthüllen, die in den Skandal verwickelt seien. Der 50-Jährige hält mit seinen Enthüllungen momentan ganz Italien auf Trab. Als er gestern wie angekündigt um 14 Uhr Zalewkis Name auf seiner Website bekannt gab, brach der Server kurzzeitig zusammen – fünf Millionen Leute hatten versucht, darauf zuzugreifen.
Die Plattform «Dillinger» steht zwar hinter den anschliessend von der Justiz bestätigten Enthüllungen, die Ermittlungen seitens der Strafverfolgungsbehörden dürften jedoch schon länger laufen.
Wie geht es weiter?
Die Ermittlungen rund um den Wettskandal werden die italienische Justiz noch eine Weile beschäftigen. Nach der Eröffnung eines Falls hat die Staatsanwaltschaft 60 Tage Zeit, die Akte zu schliessen. Fagiolis Urteil wurde bereits am Dienstag vor dem EM-Qualifikations-Spiel gegen England bekanntgegeben. Tonalis und Zaniolos Fälle sind derweil noch hängig.
Durch ihre Kooperation mit den Behörden erhoffen sich die betroffenen Spieler im Falle eines Schuldspruchs eine Strafmilderung der sonst vorgeschriebenen Mindestsperre von drei Jahren, welche die Karriere der jungen Spieler ernsthaft gefährden würde. Insbesondere Sandro Tonali, der gar mit der italienischen Fussballlegende Andrea Pirlo verglichen wird, wird eine grosse Karriere vorausgesagt – eine Karriere, die nun auf der Kippe steht.
Der Wettskandal hatte bereits Auswirkungen auf die Neuauflage des Finals der EM 2020 zwischen Italien und England. Die Azzurri traten im EM-Qualifikationsspiel ohne Tonali und Zaniolo an. Die beiden Spieler, die sich mit der Nationalmannschaft in einem Trainingscamp befanden, wurden noch auf dem Gelände von der Polizei verhört und vom Verband schliesslich nach Hause geschickt.
— Fabrizio Romano (@FabrizioRomano) October 12, 2023🇮🇹 Italian Federation statement on the accusations of possible illegal betting involvement for Tonali and Zaniolo.
“The Federation announces that, in the late afternoon of today, the Public Prosecutor's Office of Turin has notified investigative acts to footballers Sandro Tonali… pic.twitter.com/GELp9Z4Psh
Der italienische Fussballverband begründete diese Entscheidung wie folgt: «Unabhängig von der Art der Ermittlungen und in Anbetracht der Tatsache, dass die beiden Spieler in dieser Situation nicht in der Lage sind, die in den nächsten Tagen anstehenden Verpflichtungen zu erfüllen, hat der Verband, auch zu ihrem Schutz, beschlossen, sie zu ihren jeweiligen Vereinen zurückkehren zu lassen.»
Author: Carolyn Thompson
Last Updated: 1702004282
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